Porträt + Interview


Details scheinen zum Greifen nah

Durch einen blühenden Vorgarten kommen zwei verspielte Boxerhunde gesprungen, die Nachbarin schaut gerade vorbei. Dann taucht der Meister auf. Michael Lassel, weltweit bekannt als einer der wenigen Trompe-l’œil-Maler der Gegenwart. Sein Domizil wirkt gerade so, wie man sich die Behausung eines Malers der altmeisterlichen Tradition vorstellt. Ein wenig düster, die Einrichtung ebenso in überwiegend dunklen Farben gehalten wie seine Gemälde, die in jedem Raum stehen. Überall kleine Gegenstände, die er auf Flohmärkten ersteht und dann vor seiner Staffelei zu liebevoll ironischen Gebäuden komponiert.

Wohnung als Kunstherberge

Den Arbeitsraum im eigentlichen Sinne gibt es nicht, die ganze Wohnung ist eine Kunstherberge. Michael Lassel sitzt am liebsten in dem kleinen Zimmer mit dem Nordfenster, „weil sich hier die Schatten nicht verändern und das Licht den ganzen Tag dasselbe bleibt“. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, und man spürt die Ruhe, die von einem Mann ausgeht, der täglich bis zu sechzehn Stunden still sitzt und sechs bis acht Monate an einem Ölbild im Format 120x100 malt.

Ob er – wie es Rembrandt nachgesagt wird – manchmal mit den Stiefeln ins Bett geht, weil der Kopf nach so vielen Stunden immer noch beim Bild ist und er sich, fasziniert vom eigenen Können, einfach nicht lösen kann, wäre durchaus denkbar. Über einem betagten Sofa hängt ein Fenster, dessen Holzflügel nach innen geöffnet und mit zerknülltem Pergament beklebt sind. Die Ecken stehen ab, so dass man sie abzupfen könnte, denkt man. Aber es ist die typische Augentäuschung, die reine Illusion; das Pergament und sogar die Holzstruktur sind gemalt. Charakteristisch für die Trompe-l’œil-Malerei ist es, den Betrachter in die Irre zu lenken, ihm jedes Detail so plastisch vor Augen zu führen, dass er schon danach greifen muss, um zu merken, dass er nur eine Fläche vor sich hat. Trompe-l’œil (französisch: „täusche das Auge“) ist die seit dem 19. Jahrhundert gültige Bezeichnung für besonders reflektierte Formen von Bildillusionismus und hieß im 17. Jahrhundert in Holland „Bedriegertje“ („Betrügerchen“). Lassel verwendet nur Materialien vom Feinsten. Farbpigmente aus gemahlenen Edelsteinen und Walnussöl kauft er bevorzugt in Frankreich.

„Trompe-l’œil-Malerei ist eine sehr einsame Sache, treibt in die Isolation, ich gehe kaum mehr aus dem Haus. Allerdings, wie Diogenes in einer Tonne leben, das könnte ich doch nicht.“ Neben seiner Staffelei hängt in Plakatform eine Übersicht griechischer Philosophen der Antike. „Seit geraumer Zeit beschäftige ich mich auch mit Zen-Philosophie, lebe vegetarisch und verzichte schon mal auf meinen geliebten Bordeaux,“ erzählt der 1948 in Siebenbürgen geborene Maler…………………….

Auszug, Fürther Nachrichten