Porträt + Interview


Kraftvolle Kreativität am Werk

Was hat Freiklettern mit Kunst zu tun? Schon zu Urzeiten hatte der Mensch das Bedürfnis, Höhen zu erklimmen. Und sicher handelte es sich dabei nicht nur um den reinen Überlebenstrieb, sondern auch um eine spielerisch-kreative Form, über den Körper zu erfahren, dass Grenzen selten da sind, wo man sie zunächst erfahrungsgemäß vermutet. Eine Kraft, die von innen kommt, während man sich dabei in der Natur bewegt und gleichzeitig Bildhauer des Körpers ist, oder diese Kraft als eigenständiges Thema auf der Leinwand in Farbe umzusetzen, ist für den Künstler Ortwin Michl keine Frage des Entweder-Oder. Er verbindet beides.

„Je härter ich klettere, desto stärkere Bilder kann ich malen.“ Der Spannungsbogen in Michls Bildern lebt von scheinbar extremen Gegensätzen, die – genauer betrachtet – aber doch wieder untrennbar zusammengehören. „Wenn ich mich entschließe, eine Wand mit vielen Seillängen zu durchsteigen, kommt es einerseits darauf an, den optimalen Weg zu finden und durchzuhalten“, sagt er, „und andererseits gehört auch eine Portion Vertrauen ins Leben und auf die eigenen Fähigkeiten dazu. Genauso ist es in der Malerei.“ Nicht zufällig heißt eines seiner früheren Bilder “Kraft im Arm“.

Ortwin Michl wurde 1942 in Marienbad geboren, war lange Zeit aktiver Leichtathlet und Bergsteiger und hätte beinahe einen ganz normalen bürgerlichen Beruf ergriffen, wenn nicht im letzten Moment doch noch der Künstler in ihm durchgebrochen wäre. Er absolvierte an der Nürnberger Akademie der Bildenden Künste das Studium der Freien Malerei als Meisterschüler bei Ernst Weil, einem Vertreter der „Art informel“ oder auch des Tachismus. Beide Begriffe stammen aus dem Französischen, wobei „Art informel“ formlose Kunst bedeutet und „la tache“ der Fleck. Auch das „action painting“ gehört dazu, und alles zusammengenommen wird dem abstrakten Expressionismus zugeordnet. Eine Stilrichtung der modernen Malerei, die gegen 1950 in Polen und den USA als Protest gegen die Form, den rechten Winkel und vor allem gegen jegliche Reglementierung der Malerei entstanden ist.
Natürlich hat Michl zu Anfang seines Werdegangs auch gegenständlich gemalt und ist dann über die ständige Reduzierung immer stärker ins Abstrakte gegangen. Hauptthema ist die Beobachtung der Natur, wie sie sich verändert, die Eindrücke im Bild zu verarbeiten. Der Titel eines seiner Ölbilder „Alles fließt“ spricht hier für sich. Malen ist kein bloßer Job, sondern eine Lebensphilosophie, die sich bei Michl durch alle Bereiche des persönlichen Lebens zieht. „Ich versuche mit wenigen, aber wesentlichen Dingen auszukommen“, sagt er………..

Auszug, Fürther Nachrichten